Osterprozessionen in Ispica

Das kleine Barockstädtchen wird jedes Jahr Schauplatz imposanter Osterumzüge

Die Settimana Santa hat für die Sizilianer eine ganz besondere Bedeutung. In jeder Stadt Siziliens zieht es die Einwohner auf Straßen und Plätze, um dem großen Drama der Passion Christi beizuwohnen, dessen Elemente der Verrat, der Mord und der Schmerz einer Mutter sind.

Die Osterprozessionen in Ispica zählen zweifelsohne zu den Imposantesten des Val di Noto.

    • Eröffnet werden die Osterfeierlichkeiten am Freitag vor Palmsonntag in der Basilika Santissima Annunziata. Am Abend findet die Prozession der Reliquienurne statt, welche die Santa Spina (den Heiligen Dorn) enthält, sowie der durch Schauspieler dargestellte Kreuzweg Christi.
    • Am Palmsonntag versammeln sich die Gläubigen mit Palmen und Olivenzweigen am Stadteingang. Die Zweige der die Straßen säumenden Menschen werden gesegnet und ein Junger Mann auf einem Esel, der Christus darstellt, reitet die Straßen an den mit Palmenzweigen winkenden Menschen entlang bis zur Basilika Santa Maria Maggiore.
    • In der Nacht von Mittwoch auf Gründonnerstag pilgern die Gläubigen zur Felsenkirche Santa Maria della Cava, wo der Kreuzweg Christi durch die Jugend der Gemeinde dargestellt wird. Nach dem Kreuzweg wird um 4 Uhr morgens in der Basilika Santa Maria Maggiore durch den Pfarrer und den Vertreter der Bruderschaft dreimal an das Eingangsportal geklopft. Das Tor öffnet sich und die Gläubigen strömen in die Basilika zum Altar des Santissimo Cristo alla colonna (Christus an der Martersäule, auf sizilianisch U Patri a Culonna). Der traditionsreiche Öffnungsritus wird morgens um 11 Uhr wiederholt, indem der Pfarrer auf dem Altar dreimal mit einem Schlüssel an den Wandvorhang klopft, hinter der die jahrtausendalte Statue des gegeißelten Christus steht (Fragmente der Statue lassen sich auf die byzantinische Herrschaft in Sizilien zurückdatieren). Der Vorhang fällt und unter den Trauermarschklängen des Orchesters wird die Statue langsam abgesenkt und auf den Schultern der Statuenträger durch die Stadt getragen.

Christus an der Martersäule – Foto Wikimedia Commons/E. Egiziano

  • Am Karfreitag versammeln sich die Einwohner Ispicas am Morgen in der Basilika Santissima Annunziata. Auch hier beginnt mit dem Öffnungsritus und dem dreimaligen Klopfen an den Wandvorhang durch den Pfarrer um 11 Uhr ein wahrhaftiges Spektakel, dem schon die Jüngsten inbrünstig beiwohnen. Der Vorhang fällt und das Antlitz Christi mit dem Kreuz, Cristo con la Croce (U Patri a cruci), kommt unter Jubelrufen zum Vorschein. Am Nachmittag, zeitgleich mit dem Eintreffen des Reitergefolges beginnt die Prozession. Die zentnerschwere Christusstatue wird auf den Schultern der Träger getragen und alle paar Meter unter einem Rasseln abgesetzt. Stationen der Freitagsprozession sind z.B. die 21 Kanonenschüsse und die Begegnung mit verschiedenen symbolträchtigen Figuren, wie der Veronica oder der Madonna Addolorata. Nach Mitternacht wird die Statue feierlich wieder in die Basilika Santissima Annunziata getragen.

Christus trägt das Kreuz

  • Am Ostersonntag versammelt sich die ganze Stadt am Corso Garibaldi, um dem Incontro (U ‘ncuontru), dem Aufeinandertreffen der Statue der heiligen Maria mit der Statue des auferstandenen Christus, Cristo Risorto (U Risuscitatu), beizuwohnen. Um 12 Uhr wird die Christusstatue aus der Basilika Santissima Annunziata herausgetragen. Auf der anderen Seite des Corsos erscheint Maria Addolorata aus der Mutterkirche San Bartolomeo. Beide Statuen nähern sich inmitten der Menschenmassen einander an und die letzte Etappe wird von den Statuenträgern rennend bis zur Marienstatue zurückgelegt. Maria verneigt sich vor dem auferstandenen Christus und unter Knallern, fliegenden Tauben und Konfettiregen wird die Christusstatue unter Jubelrufen mehrmals in die Luft geworfen und wiederaufgenommen. Zusammen prozessieren die Statuen noch den Hauptplatz entlang und kehren dann, rennend, in die jeweiligen Kirchen heim.

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