Aus dem Leben eines Sizilianers

Sizilien durch Land und Leute entdecken

Es ist heiß im festlich geschmückten Dom. Prunkvolle Leuchter erhellen die mit goldenen Ornamenten verzierten Säulen. Auf dem schwarz-weißen Marmorboden rennen Kinder umher und elegant gekleidete Frauen fächeln sich Luft zu. Nervös steht der Bräutigam auf den Stufen vor dem Altar und versucht in die Kamera des Fotografen zu lächeln. Seine Mutter steht im Brokatkleid neben ihm und hält Ausschau nach der Braut. Endlich – die Musik ertönt und alle Gäste drehen sich nach dem Eingangsportal um…

Die Hochzeit gehört zu den wichtigsten Ereignissen im Leben eines Sizilianers und hat einen hohen Stellenwert auf der katholisch geprägten Insel. Traditionell suchen die Brautleute die schönste Kirche und den elegantesten Festsaal für den Empfang nach der Zeremonie aus. Angesichts der Wichtigkeit des Ereignisses wird nicht an Kosten gespart, sondern in Weddingplanner, Fotograf und das Wichtigste, in Brautkleid, Anzug und Accessoires, investiert.

Besonders für die Braut wird mit der Hochzeit ein neues Kapitel in ihrem Leben aufgeschlagen, zumal das Zusammenleben mit dem Bräutigam erst jetzt offizialisiert wird. Nicht selten haben die Brautleute bis zu ihrer Hochzeit noch bei den Eltern gewohnt und ziehen erst jetzt in eine gemeinsame Wohnung. Das enge Familienband bleibt trotzdem erhalten, denn Eltern und Großeltern werden nach wie vor am Leben ihrer Kinder und Enkelkinder intensiv teilhaben.

Sind Kinder da, kommt das Familienleben in Schwung. Die Oma und Schwiegeroma, nonna genannt, steht mit Rat und Tat zur Seite, um ihre Tochter bzw. Schwiegertochter zu entlasten und wohlgemeinte Ratschläge zu geben. Sizilianer sind im Allgemeinen auch gewohnt, mit Onkel, Tanten und anderen Familienmitgliedern sehr viel Zeit zu verbringen. Der Zusammenhalt untereinander ist sehr stark und es wird jede Gelegenheit genutzt, Familienfeste zu feiern. Gefeiert werden nicht nur Hochzeiten und Hochzeitstage, Taufen, Erstkommunionen, Firmungen und Geburtstage, Weihnachten und Ostern, sondern auch Namenstage, bestandene Diplomprüfungen und der Besuch außerhalb der Insel lebender Familienmitglieder. Zu diesen besonderen Gelegenheiten wird mehrgängig entweder rustikal auf dem Land oder raffiniert im Restaurant mit Meerblick gespeist.

Die älteren Leute halten sowohl in Italien als auch auf Sizilien die Zügel in der Hand. In einem mit hoher Jugendarbeitslosigkeit und wirtschaftlich in Bedrängnis geratenem Land garantieren die Senioren mit ihrer monatlichen Rente teilweise die finanzielle Sicherheit ganzer Familien. Überhaupt übernehmen besonders die Omas und Uromas noch wichtige Aufgaben: es werden Pizzas und Scacce gebacken, und Tomatensoße für das ganze Jahr eingekocht.

Der Abschied von einer geliebten Person fällt somit besonders schwer. Verstorbene werden 3 Tage lang traditionsgemäß zuhause aufgebahrt und die trauernde Familie empfängt den Besuch von Verwandten und Freunden. Jeder Ankommende bringt der Familie etwas zu essen mit und zusammen wird Abschied genommen. Die letzte Ruhestätte wird von gutsituierten Sizilianern schon zu Lebzeiten für die ganze Familie erbaut. Monumentale Krypten aus Marmor oder Stein verraten den Status einer Familie und beherbergen prunkvoll die letzte Ruhestätte eines Sizilianers.
►Erst Unterdrückte, dann Künstler von Weltruhm!
►Blickpunkte sizilianischer Eigenarten!

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